Interview mit Martin Kupke, BMW Group
Leiter Team Physische -Sicherheit, Brand- und Prototypenschutz

Bild: BMW Group Security

BVSW: Welche Aufgaben fallen in Ihren Verantwortungsbereich

Martin Kupke: Um das einzuordnen, muss man grundsätzlich Folgendes wissen: Wir in der Konzernsicherheit tragen die Verantwortung für die Sicherheit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit. Daneben verantworten wir den Schutz der immateriellen Assets in Form von Unternehmensinformationen sowie den Schutz unserer Standorte und Anlagen. Meine Funktion setzt genau hier an: Informationsschutz, speziell bezogen auf Prototypen, sowie dem Schutz unserer Liegenschaften. Die Sicherstellung der physischen Sicherheit (z.B. mittels Zutritts- und Ausweismanagements) erstreckt sich nicht nur auf die mehr als 30 Produktionsstandorte weltweit, sondern auf jegliche BMW Group Liegenschaft – egal, ob Bürogebäude, Distributionszentrum oder Niederlassung. Daneben stellen wir die Weichen für einen angemessenen Brandschutz im Unternehmen. Das können wir als kleines Team natürlich nicht allein aus München heraus leisten. Wir arbeiten aus der BMW Group Zentrale heraus auf regionaler und lokaler Ebene eng mit einer Vielzahl von Sicherheitsoffices, Standortsicherheiten und anderen Fachbereichen auf der ganzen Welt zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass Sicherheit nur im globalen Zusammenspiel aller Stakeholder funktionieren kann.

BVSW: Was ist Ihre Aufgabe in der Abteilung? Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Martin Kupke: Um die Sicherheit zu gewährleisten, beobachten und bewerten wir die globale Bedrohungs- und Vorfallslage fortlaufend. Unter anderem auf dieser Basis erzeugen wir in meinem Aufgabenbereich ein übergreifendes Risikobild und leiten daraus Handlungsbedarfe ab. Wir definieren verbindliche Vorgaben, die weltweit an allen Standorten und in den betroffenen Prozessen zum Tragen kommen. Ändern sich Risiken oder regulatorische bzw. zertifizierungsrelevante Anforderungen, passen wir unsere Standards entsprechend an.

Darüber hinaus entwickeln und erheben wir in unserem Team, Key Performance Indicators (KPIs), um beispielsweise zu messen, wie und in welchem Umfang unsere Vorgaben im Unternehmen umgesetzt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt unserer Tätigkeit, bspw. in der physischen Sicherheit, ist die Durchführung von Audits. Diese ermöglichen es uns, die Einhaltung verbindlicher Sicherheitsstandards zu überprüfen, z.B. dahingehend, ob festgelegte bauliche Anforderungen zur Absicherung einer Liegenschaft umgesetzt sind oder ob nur diejenigen Zutritt zu einem bestimmten Bereich haben, die ihn auch benötigen. Regelmäßige Audits tragen aber nicht nur zur physischen Absicherung unserer Liegenschaften bei, sondern fördern auch eine Kultur der Awareness und Verantwortlichkeit auf allen Ebenen des Unternehmens.

Außerdem liegt es in meiner Verantwortung, Synergien zu den thematisch angrenzenden Teams zu finden und den Austausch zu koordinieren.

BVSW: Welche Themen deckt der Wirtschaftsschutz ab?

Martin Kupke: Als international erfolgreiches Unternehmen sowie als großer Arbeitgeber und Innovationstreiber tragen wir auch Verantwortung für die Gesellschaft. Angesichts einer sich ständig verändernden Sicherheitslage ist es von entscheidender Bedeutung, die Wettbewerbsfähigkeit der BMW Group und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu schützen. Wir leisten hier einen wichtigen Beitrag. In meiner Rolle gehört zum Wirtschaftsschutz vor allem der Schutz unseres Firmen-Know-hows vor Diebstahl und Verlust. In der Automobilbranche nimmt der Prototypenschutz dabei eine besondere Stellung ein. Der Weg zu einem neuen Fahrzeug erfordert einen erheblichen Entwicklungsaufwand, verbunden mit dem Einsatz enormer finanzieller Mittel. In Anbetracht zunehmenden Wettbewerbs ist es daher umso wichtiger, dass Fahrzeuginnovationen nicht verfrüht bekannt, sondern wie geplant kommuniziert und am Markt platziert werden können. Damit ist der Schutz von Prototypen unerlässlich, um unseren Vorsprung und wirtschaftlichen Erfolg zu bewahren. Unsere Sicherheitsprozesse basieren dabei auf dem Prinzip „Security by Design“. Das heißt, wir sind schon sehr früh in die Entwicklungsprozesse miteingebunden, damit wir zusammen mit unserem Netzwerk mögliche Risiken rechtzeitig identifizieren und diese mit entsprechenden Maßnahmen reduzieren können. Der Prototypenschutz kommt vor allem dann zum Tragen, wenn unsere Erprobungsfahrzeuge auf öffentlichen Straßen unterwegs sind. Eine Herausforderung sind dabei bspw. „Erlkönig-Jäger“, die darauf abzielen, vor der offiziellen Markteinführung an Informationen oder Bilder von neuen Fahrzeugen zu gelangen. Zum Schutz der Vertraulichkeit werden die Testfahrzeuge daher u.a. mit Tarnfolie versehen und somit zum sogenannten „Erlkönig“. Mein Team berät hier von Anfang an. Mit unseren Standards zielen wir, neben der Vertraulichkeit, jedoch auch auf den Schutz der Verfügbarkeit unserer Prototypen und Integrität unserer Daten ab. So verantworten wir z.B. Vorgaben zum sicheren Transport und Abstellen von Prototypen sowie Anforderungen an die Absicherung unserer Erprobungsstandorte.

BVSW: Wie war Ihr Weg zu Ihrer aktuellen Aufgabe?

Martin Kupke: Meine berufliche Laufbahn begann bei der Bundespolizei als Polizeivollzugsbeamter im gehobenen Dienst. Nach einigen Jahren in unterschiedlichen Funktionen habe ich den berufsbegleitenden Masterstudiengang Sicherheitsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Verwaltung in Berlin abgeschlossen. Im Rahmen meines Studiums hatte ich immer wieder Kontakte zur Wirtschaft und war von der Arbeitsweise dort begeistert. Privat war ich schon immer ein BMW Fan und als ich dann die Chance bekam, bei BMW anzufangen, ist mir die Entscheidung leicht gefallen. Jeden Tag aufs Neue motiviert es mich, gemeinsam mit meinem Team bspw. daran mitzuwirken, dass ein geschützter Prototyp in die Serienreife übergeht und offiziell kommuniziert wird. Wenn ein physisches Sicherheitsaudit ohne Feststellungen erfolgreich absolviert wird oder ein Brandschutzkonzept in der Praxis reibungslos funktioniert, macht mich das immer ein bisschen stolz. Diese Erfolge bestätigen mich rückblickend in meiner Entscheidung, diesen Weg eingeschlagen zu haben.

BVSW: Welche Eigenschaften brauchen Mitarbeitende im Wirtschaftsschutz?

Martin Kupke: Zwei der wichtigsten Eigenschaften sind zweifellos die Motivation und Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, die mit dieser Aufgabe einhergeht. Darüber hinaus ist in der Sicherheit allgemein ein gewisses Fingerspitzengefühl gefragt – die richtigen von falschen und die wichtigen von weniger wichtigen Informationen zu unterscheiden und Bedrohungen stets einen Schritt voraus zu sein. Das macht unseren Job extrem spannend! Zudem muss man einen breiten Blick haben: Es ist wichtig, Bedrohungen und Schwachstellen zu verstehen und risikobasierte Maßnahmen abzuleiten, die den strategischen Zielen entsprechen, ohne dabei über das erforderliche Maß hinauszuschießen. Nur so können wir nachhaltig die Resilienz des Unternehmens stärken.

Teamfähigkeit ist ebenfalls unerlässlich, weil es viele verschiedene Stakeholder mit unterschiedlichen Perspektiven braucht, um die Herausforderungen in der Sicherheit zu lösen. Eine enge Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen der Fachbereiche, die in ihrer täglichen Arbeit weniger mit Sicherheit zu tun haben, ist essenziell. Erst ein tiefes Verständnis der Bedarfe, Sichtweisen und Probleme des Business ermöglichen uns akzeptierte und wirksame, Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren. Wir ziehen hier bei der BMW Group alle an einem Strang. Angesichts der schnell voranschreitenden Digitalisierung ist auch ein gewisses Maß an Offenheit und Interesse gegenüber technischen Innovationen hilfreich. Dies umfasst bspw. hochauflösende integrierte Kamerasysteme, automatisierte Zufahrtskontrollen oder vernetzte Standort übergreifende Leitstellentechnik. Andere Lösungen wie Roboterhunde oder automatisiert fliegende Drohnen, bspw. zur Überwachung von Liegenschaften, sind in den sozialen Medien populäre und gern geteilte Beiträge. Hier gilt es jedoch, wie bei allen Neuerungen, konsequent anwendungsfallbezogen deren Mehrwert für die Sicherheit sowie tatsächliche Effizienzpotentiale zu hinterfragen. Insofern braucht es meiner Meinung nach auch stets das Bewusstsein und die Haltung unternehmerisch und damit wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

BVSW: Was ist für Sie das Besondere an der Arbeit?

Martin Kupke: Die Gewissheit, dass ich mit meinem Team in den Bereichen Physische Sicherheit, Brand- und Prototypenschutz einen echten Beitrag zum Erfolg unseres Unternehmens leisten kann. Dabei bietet die konstruktive Zusammenarbeit mit verschiedenen Bereichen der BMW Group Chancen, starke Netzwerke aufzubauen und von einem interdisziplinären Austausch zu profitieren. Bspw. tauschen wir uns im Brandschutz eng mit unseren Partnern in der Entwicklung, Produktionsplanung und den lokalen Standortsicherheiten aus, um Fragen rund um die Elektromobilität zu beantworten. Diese Vernetzung ermöglicht es mir auch persönlich, neue Perspektiven zu erschließen und ein breites Spektrum an Kompetenzen aufzubauen. Neben dieser persönlichen Weiterentwicklung habe ich bei meiner Arbeit auch immer die Möglichkeit, meine eigenen Stärken für das Unternehmen einzubringen.  

BVSW: Wie lässt sich Ihre Arbeit mit dem Privatleben vereinbaren?

Martin Kupke: Sehr gut, wir arbeiten grundsätzlich zu den üblichen Bürozeiten und haben keinen Schichtdienst. Das war bei meinen früheren beruflichen Stationen oft anders, daher weiß ich das zu schätzen. Nichtsdestotrotz gibt es auch Umstände, in denen es auf schnelle Lagebewertungen und Entscheidungen sowie deren konsequente Umsetzung ankommt. Solche Situation sind uns allen im Sicherheitsumfeld bekannt und gehören dazu.

Ein weiterer Pluspunkt ist natürlich, unser Produkt in der heimischen Garage stehen zu haben. Nach sieben Jahren bei BMW konnte ich mich durch so einige Modelle testen – Freude am Fahren war bis jetzt bei jedem garantiert.

BVSW: Vorstellung vs. Realität: Gab es etwas, das Sie beim Start in Ihre Aufgabe überrascht hat, bzw. was Sie sich anders vorgestellt haben?

Martin Kupke: Anfänglich gab es durchaus einige Überraschungen. So hatte ich die Komplexität der Aufgaben einer Unternehmenssicherheit unterschätzt. Ich habe schnell gemerkt, wie vielschichtig die Herausforderungen sind und welches ganzheitliche Verständnis von Risiken, Prozessorientierung und Stakeholdermanagement es bedarf. Aber auch die Dynamik der Bedrohungslandschaft und sich ändernde regulatorische Anforderungen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, permanent am Ball zu bleiben und sich flexibel an neue Gegebenheiten anzupassen. Im Gegensatz zu meinen polizeilichen Tätigkeiten, bei denen mein näheres Umfeld stets sehr sicherheitsaffin war, ist es in Unternehmen nicht trivial, eine starke Sicherheitskultur aufzubauen. Es braucht viel Überzeugungsarbeit, um Mitarbeitende für ein Thema zu sensibilisieren und Sicherheit als gemeinschaftliche Aufgabe zu etablieren.

BVSW: Wie reagieren die Leute, wenn Sie von Ihrer Arbeit sprechen?

Martin Kupke: Viele können sich erst einmal nichts darunter vorstellen, bzw. setzen eine Tätigkeit in der Sicherheit mit den Aufgaben des Werksschutzes gleich. Der leistet einen enorm wichtigen Beitrag zum Schutz des Unternehmens, ist jedoch nur ein Teil der Unternehmenssicherheit. Wenn man erklärt, worin die Aufgaben eigentlich bestehen, finden die meisten das sehr spannend.  

BVSW: Vielen Dank für das Gespräch