Compliance Leitlinie – Bayerischer Verband für Sicherheit in der Wirtschaft (BVSW) e. V.
(Stand: 05/2023)

I. Einführung

Der BVSW ist der rechtlich selbstständige Landesverband im Bundesland Bayern innerhalb der ASW-Organisation. Aufgabe des BVSW ist die satzungsgemäße Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder.

Die Verbandsarbeit des BVSW ist strikt und umfassend darauf ausgerichtet, die Vereinbarkeit mit dem Kartellrecht zu beachten. Hierzu dienen die nachfolgenden Hinweise als Leitlinie, deren Beachtung im Interesse des und seiner Mitglieder kartellrechtlich nicht statthaftes Verhalten unterbinden soll.

Hierzu werden diese Leitlinien sämtlichen haupt- und ehrenamtlich in der Gremienarbeit des BVSW Aktiven überlassen und auf der Internetseite des BVSW allen Mitgliedsunternehmen und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Allerdings sollen und können diese Leitlinien nicht die Komplexität des Kartellrechts bzw. die Vielzahl von Einzelfragen umfassend aufarbeiten. Somit kann es in Detailfragen erforderlich werden, eine weitergehende rechtliche Bewertung vorzunehmen.

II. Kartellrechtswidriges Verhalten

1. Grundsatz

Verboten sind nach deutschem Recht alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmens­vereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltens­weisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (§ 1 GWB).

Zusätzlich greift das europäische Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 AEUV), wenn dadurch der Handel zwischen Mitgliedsstaaten beeinträchtigt werden kann.

2. Abspracheverbote und Ausnahmeregelungen

Grundsätzlich gilt, dass sämtliche Absprachen zwischen Wettbewerbern, die eine Beschränkung des freien Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, gegen das Kartellrecht verstoßen. Der Begriff der Absprache wird dabei von den Kartellbehörden sehr weit ausgelegt. Nicht notwendig ist, dass zwischen den Parteien ein rechtlich bindender Vertrag geschlossen wird. Ausreichend ist bereits eine informelle Abstimmung („gentlemen’s agreement“), die auch mündlich oder stillschweigend zustande kommen kann. Unter Absprachen sind damit sowohl formelle Vereinbarungen und Beschlüsse (z. B. in Ausschüssen oder Arbeitskreisen) als auch abgestimmte Verhaltensweisen, die unausgesprochen oder am Rande von Verbandstreffen zustande kommen, zu verstehen.

Das Kartellverbot gilt absolut für alle Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die Absprachen zum Gegenstand haben über

Bei diesen Absprachen handelt es sich um so genannte „Hardcore-Vereinbarungen“, die per se unwirksam sind. Auf den (konkreten) Nachweis einer wettbewerbs­beschränkenden Auswirkung kommt es nicht an.

Unter bestimmten Voraussetzungen werden an sich spürbare Wettbewerbsbeschränkungen ausnahmsweise vom Kartellverbot ausgenommen. Dies gilt beispielsweise für

In diesen wie in anderen Fällen ist es jedoch regelmäßig erforderlich, die kartellrechtliche Zulässigkeit entsprechender Vereinbarungen vorab einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Hierzu ist eine Vielzahl von Faktoren, u. a. der Marktanteil der Beteiligten, zu berücksichtigen.

3. Rahmenbedingungen für Erfahrungsaustausch/ Marktinformationsverfahren

Verbandsarbeit bietet Wettbewerbern regelmäßig die Gelegenheit, untereinander die Marktsituation zu erörtern und Informationen auszutauschen. Dies ist prinzipiell nicht zu beanstanden. Werden allerdings Informationen unter Wettbewerbern ausgetauscht, die üblicherweise vertraulich sind, kann dies als Verstoß auch des Verbandes gegen das Kartellrecht gewertet werden.

Es ist zu berücksichtigen, dass der Austausch von Informationen unter Wettbewerbern dazu geeignet sein kann, die Wettbewerbsintensität, die durch das Kartellrecht geschützt wird, zu mindern. Vor diesem Hintergrund kann es insbesondere unzulässig sein, wenn Wettbewerber sich über folgende Themen austauschen:

Unabhängig hiervon haben Unternehmen jedoch auch ein legitimes Interesse am Bezug von marktrelevanten Daten. Vielfach übernehmen es Verbände für ihre Branche, relevante Informationen entgegenzunehmen, auszuwerten und zu konsolidieren.

Informationen, die sich allein auf die Vergangenheit beziehen, sowie so genannte „nicht-identifizierende“ Marktinformationsverfahren, die gerade einen Rückschluss auf einzelne Marktteilnehmer nicht erlauben, sind grundsätzlich zulässig. Soweit es sich um solche branchenspezifische Marktstatistiken handelt, sind diese kartellrechtlich unbedenklich. Bei Marktinformationssystemen stellt sich regelmäßig das Erfordernis einer Einzelfallprüfung.

Grundsätzlich zulässig ist darüber hinaus der Informationsaustausch zwischen Gremienmitgliedern über

In allen Zweifelsfällen sollten als kartellrechtlich sensibel erachtete Informationen, die für die Verbandsarbeit wichtig erscheinen, zunächst auf ihre Unbedenklichkeit geprüft werden.

4. Inhalte und Grenzen von Verbandsinformationen und -empfehlungen

Einseitig tätig wird der Verband, wenn er seinen Mitgliedern über (interne) Rundschreiben, öffentliche Äußerungen seiner Repräsentanten bzw. Mitarbeiter oder in anderer Weise Empfehlungen gibt. Auch solche einseitigen Maßnahmen durch den Verband können kartellrechtlich problematisch sein. Empfehlungen sind problematisch, wenn sie den Mitgliedern ein den Wettbewerb beschränkendes Verhalten nahelegen, was – wäre es Gegenstand einer direkten Vereinbarung zwischen den Mitgliedern bzw. Unternehmen – gegen das Kartellverbot verstoßen würde. Kartellrechtlich unkritisch sind aber Empfehlungen, die sich auf die Übermittlung von Tatsachen beschränken und die die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen den Mitgliedern überlassen.

5. Boykottverbot

Durch einen wirtschaftlichen Boykott wird der Betroffene ganz oder teilweise vom üblichen Geschäftsverkehr ausgeschlossen und damit in seiner Existenz bedroht. Es ist deshalb grundsätzlich unzulässig, dass Unternehmen oder Verbände zu einer Liefer- oder Bezugssperre gegenüber bestimmten Unternehmen auffordern. Unerheblich ist dabei, ob die Adressaten der Aufforderung auch nachkommen und in welcher Form der Boykottaufruf erfolgte.

III. Leitlinien für die Verbandsarbeit

1. Einladung zu Verbandssitzungen

Die jeweils verantwortlichen hauptamtlichen Mitarbeiter laden rechtzeitig und offiziell zu Gremien-Sitzungen ein. Den Teilnehmern geht rechtzeitig vor der Sitzung eine aussagekräftige Tagesordnung zu. Diese ist klar und unmissverständlich formuliert. Kartellrechtlich bedenkliche Punkte können nicht Gegenstand einer Tagesordnung werden. Dasselbe gilt für Sitzungsunterlagen. In Zweifelsfällen steht die Geschäftsführung für eine Klärung oder Korrektur zur Verfügung. Gegebenenfalls erfolgt vorab eine juristische Prüfung auf Unbedenklichkeit.

2. Verbandssitzungen

Bei jeder Sitzung ist mindestens ein(e) hauptamtliche(r) Mitarbeiter(in) anwesend. Über Verbandssitzungen werden von der Sitzungsleitung bzw. dem/der hauptamtlichen Mitarbeiter(in) Protokolle angefertigt, die insbesondere die Teilnehmer(innen), den wesentlichen Inhalt der Sitzungen sowie die gefassten Beschlüsse wiedergeben.

Die Sitzungsleitung oder ein(e) in der Sitzung anwesende(r) hauptamtliche(r) Mitarbeiter(in) weisen die Teilnehmer(innen) zu Beginn der Sitzung auf die Eckpunkte dieser Compliance-Leitlinien und das Gebot kartellrechtskonformen Verhaltens durch alle Sitzungsbeteiligten hin und stehen für Nachfragen zur Verfügung. Bei regelmäßig stattfindenden Treffen mit gleichem Teilnehmerkreis reicht es aus, wenn dieser Hinweis in angemessenen Zeitabständen erfolgt.

Die Sitzungsleitung bzw. die oder der hauptamtliche Mitarbeiter(in) haben geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass es während oder im Rahmen der Verbandssitzung nicht zu unzulässigen Beschlüssen, Absprachen, Gesprächen oder spontanen Äußerungen zu kartellrechtlich relevanten Themen kommt.

Jeder Sitzungsteilnehmer hat darauf zu achten, dass er keine vertraulichen Informationen seines Unternehmens mitteilt. Hierzu zählen insbesondere Angaben über Preise, Preisbestandteile, Umsatz- und Absatzzahlen, Zeitpunkte von Preiserhöhungen bzw. Produkteinführungen, neue Produkte, Geschäftsstrategien, Reaktionen des Unternehmens auf rechtmäßige Forderungen von Kunden bzw. Lieferanten.

Sitzungsteilnehmer(innen), die sich nicht kartellrechtskonform verhalten, sind von der Sitzungsleitung bzw. der oder dem hauptamtlichen Mitarbeiter(in) unverzüglich darauf hinzuweisen. Die Sitzungsleitung wird die konkrete Diskussion oder erforderlichenfalls auch die gesamte Sitzung abbrechen oder vertagen, soweit sich eine eingehende rechtliche Klärung als geboten erweist.

Jede(r) Sitzungsteilnehmer(in) wird den Abbruch oder die Vertagung einer konkreten Diskussion oder gegebenenfalls auch der gesamten Sitzung fordern, sofern Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit bestehen. Diese Forderung muss von der Sitzungsleitung bzw. dem/der hauptamtlichen Mitarbeiter(in) protokolliert werden. Wird dieser Forderung nicht entsprochen, so verlassen die Sitzungsteilnehmer bei Fortsetzung einer kartellrechtlich bedenklichen Diskussion die Sitzung. Verlässt ein(e) Sitzungsteilnehmer(in) die Sitzung, so muss dies von der Sitzungsleitung bzw. dem/der hauptamtlichen Mitarbeiter(in) unter Angabe von Namen und Zeitangabe protokolliert werden. In Zweifelsfällen kann die Sitzung auch verschoben und zwischenzeitlich Rechtsrat eingeholt werden.

3. Nacharbeit von Verbandssitzungen

Die Protokolle werden zeitnah an alle Teilnehmer verschickt. Die Sitzungsteilnehmer prüfen die Protokolle nach Erhalt auf korrekte Wiedergabe der Sitzung und ihrer Beschlüsse. Sie weisen die Sitzungsleitung bzw. den bzw. die hauptamtlichen Mitarbeiter(in) unverzüglich auf unkorrekte Formulierungen im Protokoll und den daraus resultierenden Korrekturbedarf hin. Gegebenenfalls zirkuliert die Sitzungsleitung bzw. der/die hauptamtliche Mitarbeiter(in) anschließend eine entsprechend überarbeitete Fassung des Protokolls. Das Protokoll wird den Sitzungsteilnehmern in der kommenden Sitzung zur Genehmigung vorgelegt.

IV. Schlussbestimmungen

Diese Compliance-Leitlinien werden öffentlich über die Homepage des BVSW bekannt gegeben und allen Gremienmitgliedern und Mitarbeiter(innen) bekannt gemacht.

Angesichts der Bedeutung dieser Leitlinien werden diese in regelmäßigen Abständen – spätestens alle zwei Jahre – überprüft und gegebenenfalls an die aktuellen gesetzlichen Regelungen angepasst.

Jede Änderung bedarf der Schriftform.