Expertenvortrag beim BVSW am 25. März 2021:
Blackout – Ist Ihr Unternehmen vorbereitet?
Was passiert, wenn es zu einem kompletten Stromausfall in Deutschland oder sogar in weiten Teilen Europas kommt? Der BVSW bietet am 25. März 2021 einen Expertenvortrag an, der praxisorientiert das Thema Blackout behandelt. Referent ist der internationale Blackout- und Krisenvorsorgeexperte Herbert Saurugg, mit dem wir vorab ein Interview geführt haben:
BVSW: Am 8. Januar 2021 wäre das europäische Stromnetz
beinahe zusammengebrochen. Was ist da passiert?
H. Saurugg: Strom ist in Europa ein grenzüberschreitendes Gut. Ein Vorfall
im Stromnetz eines einzelnen Landes kann demnach die Stromversorgung in ganz
Europa beeinflussen. So einen Vorfall gab es am 8. Januar: Hier löste eine
Überlastung in einem kroatischen Umspannwerk eine Kettenreaktion aus und führte
zu einer Kaskade von dreizehn Abschaltungen, was eine Aufspaltung des
europäischen Stromnetzes in zwei Teilbereiche zur Folge hatte. Nur die gute
Vorbereitung und schnelle Intervention der europäischen Netzbetreiber konnte
ein Blackout verhindern.
BVSW: Also alles gutgegangen. Ist das Thema Blackout
tatsächlich so ernst?
H. Saurugg: Es handelte sich durchaus um ein kritisches Ereignis, wenn man
beachtet, dass seit Jahren massive Vorkehrungen gegen solch eine Situation getroffen
werden. 2006 kam es erstmals zu einer Netzaufspaltung und seitdem hat man
intensiv in Schutzmaßnahmen investiert, die aber offensichtlich noch immer nicht
ausreichen.
Das Zusammenschalten zweier Teilnetze ist ein kritischer
Moment. Im Januar lief alles problemlos, doch die Simulationen der
Netzbetreiber zeigen, dass es bei der Zusammenschaltung durchaus zum Ausfall
des gesamten Netzes kommen kann. Außerdem war der Frequenzeinbruch sehr massiv.
Kommt in so einer Situation noch ein weiteres Ereignis hinzu, ist ein Blackout
durchaus denkbar.
BVSW: Wie konnte es zu einem so massiven Frequenzeinbruch
kommen?
H. Saurugg: Es wurdezu
diesem Zeitpunkteine große Menge Energie von Südosteuropa nach
Nordwesteuropa transferiert. Für gewöhnlich finden diese Lastflüsse in die
umgekehrte Richtung statt.
Ganz generell sind um den Stundenwechsel häufiger
Frequenzsprünge zu beobachten, welche maßgeblich durch die effizienzsteigernden
Maßnahmen des Stromhandels und Kraftwerkseinsatzes verursachte werden. Ob das
diesmal auch eine Rolle gespielt hat, ist noch unklar, da das Problem doch deutlich
später als gewöhnlich aufgetreten ist. Dass ein derart hoher Stromfluss stattgefunden
hat, dürfte aber mit dem überregionalen Stromhandel zusammenhängen. Warum die
Netzsicherheitsrechnungen das Problem nicht erkannt haben, wird noch
untersucht. Der steile Frequenzeinbruch deutet auch darauf hin, dass zu wenig
Momentanreserve, also rotierende Masse, verfügbar gewesen sein könnte.
Das Thema Stromhandel und die generell sinkende rotieren
Masse durch die Abschaltung von immer mehr Großkraftwerken findet bisher bei
der Blackout-Betrachtung noch viel zu wenig Beachtung. Aber gerade die
Momentanreserve ist von zentraler Bedeutung für die Systemstabilität, für die
es bisher kaum Ersatzlösungen gibt. Daher steigt mit dem deutschen Atom- und
Kohleausstieg bis Ende 2022 die Blackout-Gefahr deutlich an.
BVSW: Stehen den Stromhändlern technische Berater zur
Seite?
H. Saurugg: Die Europäische Union ist vor allem daran interessiert, den
Markt weiterzuentwickeln. Die Strombörsen in Leipzig und Paris funktionieren
wie Wertpapierbörsen und sind auch wie solche organisiert. Physikalische
Gesetze und Techniker, die beraten können, setzen sich hier leider nicht durch.
BVSW: Wie ist die Rolle der erneuerbaren Energien?
H. Saurugg: Erneuerbare Energien können nur erzeugt werden, wenn die
Primärenergie, sprich Wind oder Sonne, gerade verfügbar sind. Das eigentliche
Problem sind aber weniger die erneuerbaren Energien an sich, als vielmehr die
fehlenden Speichermöglichkeiten, um die Schwankungen in der Produktion
ausgleichen zu können. Werden in absehbarer Zeit keine Speichermöglichkeiten in
großen Dimensionen gebaut, wird sich die Gefahr eines Blackouts in den nächsten
Jahren zusätzlich deutlich erhöhen.
BVSW: Wie konkret ist die Bedrohungslage für Unternehmen?
H. Saurugg: Wir sehen immer wieder, dass die wenigsten Unternehmen auf ein
Blackout vorbereitet sind.Schon ein kurzer Stromausfall kann
weitreichende Konsequenzen haben, wenn sich die Systeme unkontrolliert
abschalten und es damit zu Hardwareschäden kommt. Nicht nur IT-Hardware, wie
Netzteile, Festplatten und Server können einen Schaden nehmen, sondern beispielsweise
auch Druckluft- und Kühlsysteme. Wie sich in der Corona-Pandemie gezeigt hat,
lassen sich bestimmte Geräte nicht einfach wieder neu anschaffen, wenn die
Nachfrage aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses sprunghaft ansteigt. Bei
einem totalen Stromausfall käme erschwerend hinzu, dass keinerlei Kommunikation
möglich ist.
Es ist also durchaus ratsam, sich die Konsequenzen eines
Blackouts für ein Unternehmen zu verdeutlichen, um dann entsprechende
Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Wie man an diese Fragestellung systematische
herangeht, erkläre ich in meinem Vortrag beim BVSW.
BVSW: Vielen Dank für Das Gespräch!